Dr. Micheal Petri zu den Kosten eines Zentralklinikums am Standort Balg

Gastkommentar von Dr. Micheal Petri, Geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Petri Hospital consulting GmbH, Köln:

Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger von Baden-Baden.

Als ich am 5. Mai 1975 als approbierter Arzt in das Krankenhauswissenschaftliche Institut (KWI) meines Onkels in Köln eintrat, wurde die gesamte hausinterne Kommunikation der damals 120 Mitarbeiter zählenden Firmengruppe von dem Projekt «Baden-Baden«; dominiert.

Der damalige Oberbürgermeister Dr. Carlein hatte den Auftrag erteilt, innerhalb von vier Jahren ein schlüsselfertiges Klinikum mit 500 Betten für 100 Millionen DM «auf die Wiese» zu stellen. Wie wir wissen, wurde dieses Ziel termin- und budgetgerecht erreicht.

50 Jahre später erinnerte sich Daniela Carlein an die damalige Situation und nahm nach einer Internetrecherche Kontakt mit mir auf. Da mein gesamtes berufliches Schaffen auf die Planung komplexer Krankenhausstrukturen ausgerichtet ist, ich als Berater des Gesundheitsministers sämtliche Kliniken in Sachsen federführend strukturiert sowie an der Neustrukturierung einer Vielzahl von Schwerpunktkliniken u.a. der Charité, dem UKE in Hamburg und viele mehr mitgewirkt habe, bin ich gerne bereit, meine fundierte Einschätzung zur Lage in Baden-Baden einzubringen.

Die von der Stadt und dem Klinikum Mittelbaden GGmbH zur Verfügung gestellten Unterlagen waren dabei wenig hilfreich – dennoch lässt sich eine belastbare Einschätzung treffen:

  1. Das bisherige Gutachten zur Kostenschätzung des geplanten Zentralklinikums stammt von einer auf betriebswirtschaftliche Fragen ausgerichtete, erfolgreichen Firma aus dem Kölner Raum, die jedoch keinerlei Bezug zur Krankenhausplanung hat. Es enthält keine der für eine krankenhausspezifische Berechnung notwendigen Bezugsgrößen (wie etwa aus der DIN 13080 Kennzahlen, Kosten pro Quadratmeter Nutzfläche, etc.) und ist daher für eine fundierte Planung völlig ungeeignet.
  2. Auf Basis langjährig erprobter Erfahrungswerte, ergänzt um aktuelle Kostendaten aus Baden-Württemberg zum Krankenhausbau – insbesondere der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg (2020) sowie öffentlich zugänglicher Daten aus Göppingen und Offenburg – ist von durchschnittlichen Kosten in Höhe von ca. 10.000 Euro pro m² Nutzfläche auszugehen.
    Laut vorliegenden Planungsunterlagen rechnen die KMB für einen Neubau mit insgesamt 43.400 m² Nutzfläche.
    Unsere Modellrechnung sieht für Baden-Baden einen Teilersatzbau mit 20.000 m² vor, ausgestattet mit modernster medizintechnischer Infrastruktur.
    Die vollständige Sanierung und Nutzbarmachung der Bestandsgebäude nach aktuellem Standard umfasst 24.454 m² – Flächen, die ohnehin in den nächsten zehn Jahren bis zur Fertigstellung instandgehalten werden müssen.
    Daraus ergeben sich geschätzte Kosten in Höhe von 200 Millionen Euro für den Neubau und 150 Millionen € für die Sanierung – also Gesamtkosten von rund 350 Millionen Euro.
    Dies ist die Zusammenfassung meiner Expertenmeinung; die detaillierte Modellrechnung liegt der Redaktion vor.
    Die Förderfähigkeit ist laut Schreiben des zuständigen Ministers gegeben.
  3. Die bislang veranschlagten 676 Millionen Euro (das entspricht 15.576 Euro/m² oder 966.000 Euro pro Bett) entbehren jeder realistischen Grundlage und sind mit gängigen Gestehungskosten nicht zu rechtfertigen.
  4. Eine sachliche Überprüfung der Lage vor Ort – also in Baden-Baden – wäre durch ein kleines Expertenteam innerhalb von zwei bis drei Wochen realisierbar. Je nach Umfang der geforderten Dokumentation würden die Kosten hierfür zwischen 70.000 Euro und 120.000 Euro liegen.

Eine Bewertung möglicher Alternativstandorte hätte unserer Erfahrung nach bereits im Vorfeld erfolgen und in kurzer Zeit abgeschlossen werden können.
Eine ergänzende Bewertung samt konkreter Umsetzung ist bei professioneller Planung und Nutzung vorhandener Erkenntnisse sowie bereits eingereichter Förderanträge ohne nennenswerte Verzögerung machbar.

Entscheidend im politischen Gestaltungsraum ist der Wille der Entscheidungsträger, sachliche Fakten in die Überlegungen mit einzubeziehen.

Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung und wünsche Baden-Baden für die anstehende Neustrukturierung alles Gute.